Zwischen Moral und Recht – Justitia im Stillstand?


Von Simon De Zordo

Highlights folgen in Alpbach bekanntlich Schlag auf Schlag: Als Jusstudent freute ich mich im Besonderen auf die Rechtsgespräche vom 26. und 27. August. Dort trafen sich führende (strukturell bedingt in übergroßer Mehrheit österreichische) Juristen, unter anderem der Präsident des OGH und der Präsident der Notariatskammer. Eine eher konservative Elite möchte man meinen. Dementsprechend folgte der Programmablauf einer strikten Richtung: Im Unterschied zu den anderen Gesprächen splittete sich das Plenum nicht zu sogenannten Breaking Sessions auf, um in kleineren Gruppen differenziertere Fragen zu beleuchten. Auch fanden keine sonstigen Seitenevents statt – mit Ausnahme des eleganten Empfangs im Hotel Alpbacherhof. Die kurze Dauer mag wohl damit zusammenhängen, dass juristische Fragen die Themen der Seminare und der übrigen Gespräche konsequent durchzogen. Dank des sachthemenübergreifenden Ansatzes konnte ich so einen vollgefüllten juristischen Erfahrungskoffer mit nach Haus nehmen.

Die Klassiker, Menschenrechte und Schwächen des Justizsystems, haben nicht gefehlt

Die Organisatoren hätten kein besseres Generalthema für die Rechtsgespräche wählen können: Der Gleichheitsgrundsatz ist verfassungs- und völkerrechtlich verankert und manifestiert sich in unterschiedlich starker Ausprägung in diversen Bereichen. Die Limits dieser historischen Kategorie werden seit jeher diskutiert. So stellte sich in besonderer Weise die Frage nach dem Schutz der schwächeren Vertragspartei im Rahmen des unionalen Verbraucherschutzes.

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Die internationalen Perspektive in der Themenwahl kam dem europäischen Charakter des EFA zu Gute. Die Klassiker, Menschenrechte und Schwächen des Justizsystems, haben nicht gefehlt, während die Behandlung aktueller Fragen im Bereich des intellektuellen Eigentums einen frischen Wind in die Säle des Kongresszentrums brachte. Einen aktuellen Anknüpfpunkt fand der Diskurs zum Sachwalterschaftsrecht in Österreich, das im Sinne eines umfassenden und uniformen Schutzes in der EU unionsrechtlich normiert werden wird.

Keine Menschenrechte als Eigentum und Autonomie

In der Gesamtbetrachtung fallen zwei kontroverse Punkte auf: Zum einen die Frage nach einer gerechten Ausgestaltung der Gerichtsspesen und zum anderen die liberale Menschenrechtskonzeption. Genauer plädierte Prof. Hans-Hermann Hoppe, Gründer der „The Property and Freedom Sociey“ und emeritierter Wirtschaftsprofessor der University of Nevada, im letzten Panel  zum Thema „Globalisierung und Menschenrechte“ für eine Umgestaltung des Menschenrechtsverständnisses. Prof. Manfred Nowak, ehemaliger U.N. Berichterstattung der CAT (Convention against Torture),  sah sich mit ungewohnt unkonventionellen und polarisierenden Aussagen konfrontiert. Ohne die Auffassung Prof.  Hoppes zu teilen, entwickelte sich in der letzten Jus-Plenary unter Einbindung des Publikums eine bis dahin einmalige Diskussion, die sich nicht auf eine nüchterne Tatsachenanalyse beschränkte. Die absolute Überraschung für unsere westliche, von der Aufklärung und den starken Menschrechtssystemen geprägten Sichtweise war seine Feststellung, dass es keine anderen Menschenrechte als Eigentum (an Sachen oder dem eigenen Körper) und Privatautonomie gebe. Der Staat sei ohnehin überflüssig, es gebe nur Privateigentum, die Exekutive und Legislative gehörten folglich eingemottet, während die Judikative von privaten und konkurrierenden Schiedsgerichte wahrgenommen werden sollte. Die Reaktionen auf Prof. Hoppes Vortrag fielen entsprechend kritisch aus. Die Fortsetzung folgte bald darauf. Viele Interessierte beteiligten sich abends aktiv an seinem Fireside-Talk zur „Libertären Philosophie“ im Hotel Berghof, in dessen Rahmen er vor uns jungen Stipendiaten Antworten auf die äußerst kritischen Fragen lieferte.  Auf Grund seiner bis ins Extreme geführten Konsequenzen konnten seine Argumente nicht wirklich überzeugen. Prof. Hoppes Modell stellt den Menschen als besonders gewitzten Egoisten dar, der zur Verteidigung seines Eigentums jegliche andere Werte und Güter einschränken könne. Ein wertfreier Manchester-Ultrakapitalismus sozusagen. Aber gerade die Auseinandersetzung mit ungewohnten Ansichten macht das Forum zu einem fruchtbaren Boden für selbstkritische Überlegungen.

Sehr inspirierend in Hinblick auf meinen zukünftigen Berufsweg fand ich den folgenden Satz: „In der Sachfrage irrt der Richter als Mensch“. Juristen irren, ein breiterer „Alpbacher Ansatz“ gehört daher sicherlich zu einer guten Ausbildung.