Nachruf Fritz Molden


_MG_7214„Man muss träumen, man muss das Unmögliche träumen, und dann davon so viel wie möglich realisieren.“

Fritz Molden – Widerstandskämpfer, Reporter, Verleger, Professor, Freund und Ehrenmitglied des Club Alpbach Südtirol Alto Adige – ist am 11. Januar 2014 verstorben. Er hat Südtiroler Geschichte miterlebt, und – wer ihn kannte – der weiß, dass er sie mitgeschrieben hat:

Als Mitglied des katholischen Untergrunds nahm er schon als Jugendlicher an Aktionen gegen die Nationalsozialisten teil. Gemeinsam mit Freunden druckte und verteilte er Flugblätter wider die Verräter Südtirols auf den Straßen von Innsbruck.

Nach dem 2. Weltkrieg spielte er als Sekretär des österreichischen Außenministers Gruber bei den entscheidenden Verhandlungen zum Gruber-Degasperi-Abkommen mit Giulio Andreotti im Vorzimmer Schach.

1958 war er beim Treffen im Achenwirt einer der Mitgründer des BAS, dem Befreiungsausschuss Südtirol. 1960 und 1961 war er Mitglied der österreichischen Delegation, welche die Südtirolfrage bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) einbrachte.

Fritz Molden kannte und begleitete das Europäische Forum Alpbach seit seinen Anfängen. Mit seinem Engagement und seinen vorzüglichen Kontakten machte er das Forum, welches sein älterer Bruder Otto 1945 begründet hatte, innerhalb kürzester Zeit zu einer internationalen Plattform. Es war für ihn die gesunde Synthese zwischen der abstrakten wissenschaftlichen Forschung und den Problemen des praktischen Lebens.

2008 freute er sich über die verliehene Ehrenmitgliedschaft von Seiten des Clubs Alpbach Südtirol Alto Adige, und für den soeben gegründeten Verein begann ein wertvoller Austausch. Interviews, Videos, Fotos – wir jungen Stipendiaten waren neugierig auf die historische Persönlichkeit Fritz Molden und, im Nachhinein, beeindruckt vom liberalen Geist und vom überzeugten Europäer Fritz Molden. In den zahllosen Treffen im Schreiberhäusl in Alpbach erkundigte er sich stets bei den Stipendiaten des CASA nach der Lage in Südtirol und nach dem Befinden der Südtirolerinnen und Südtiroler. Längst war der scharfsinnige Beobachter Fritz Molden zur Überzeugung gelangt, dass sich Vieles in Südtirol zum Besseren gewandelt hatte. Doch der Mensch Fritz Molden blieb wie er war: Er war neugierig auf die jungen Menschen und öffnete ihnen die Augen.

Fritz Molden hat die Motivation und den Geist, aus dem heraus die alljährlichen Begegnungen in Alpbach entstanden sind, selbst mitgestaltet. In den Gesprächen mit unserem Ehrenmitglied konnten wir – liebevoll umsorgt von seiner Frau Hanna – Gedanken- und Handlungsanstöße für unser zukünftiges Wirken erhalten, die Geschichte des Europäischen Forum Alpbach erkunden und Hintergründe erkennen. Auch in seinen späten Tagen hatte er seine Lebensfreude und seinen Wissensdurst nie verloren. Er beeindruckte, wie etwa beim Gespräch über den Prager Frühling, durch Hintergrundwissen und überraschte mit persönlichen Anekdoten. Und immer trieb er an: „Wir müssen investieren, in die Zukunft, in die Leute, ins Land.“

Blicken wir nun zurück auf sein Leben: Der Geburtstag von Fritz Molden fiel auf den 8. April 1924 in Wien. Er wuchs mit seinem älteren Bruder Otto im Haushalt von Ernst Molden, dem Chefredakteur der Neuen Freien Presse, und Paula von Preradović, der Verfasserin des Textes der österreichischen Bundeshymne, in großbürgerlichen Wiener Verhältnissen auf.

Von da an wirbelte er mit unermüdlicher Schöpfungskraft durch die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts und schrieb nicht nur als Journalist und Verleger Geschichte. Vor sich her trieb er dabei Fakten, Menschen und Visionen, welche das 20. Jahrhundert prägten: Nationalsozialismus, Widerstand, Ungarn-Aufstand, Südtirolfrage, Prager Frühling, Europa, der deutschsprachige Medienmarkt, wohl auch die Frauen – und blieb immer Österreicher. Er war Patriot. Eine Person, die ihr Vaterland liebte, ohne dabei andere Länder abzuwerten.

Für Österreich organisierte er, fast im Alleingang, den Österreichischen Widerstand, reiste einem Wecker gleich durch das besetzte Land und rief „Aufstehen, Mander, ’s isch Zeit“. Das Unterfangen – wie so oft – gelang. Österreich wurde frei. Und schon am Abend der Unterzeichnung des Staatsvertrages, am 15. Mai 1955 – also auf den Tag genau 34 Jahre nachdem die Südtiroler zum ersten Mal an den Wahlen zum römischen Parlament teilgenommen hatten – sprach er mit amerikanischen Freunden bereits wieder über die Zukunft Österreichs. „Die Zukunft Österreichs hat begonnen!“, titelt er in diesen Tagen im Leitartikel seiner Presse.

Dies galt aber nicht nur für Österreich, sondern genauso für die Auslandsösterreicher. An mehr als nur einer Stelle wurde Fritz Molden als Landeshauptmann des 10. Bundeslandes Österreichs genannt. Seine enge Beziehung zu Südtirol und seinen Bewohnern entwickelte sich aus Kriegs- und Widerstandszeiten. Doch er erklärte: „Um den Kommunismus zu bekämpfen, muss Österreich auf Südtirol verzichten, das vor Gott und der Welt Österreich gehört.“ Fritz Molden schrieb gerne über Südtirol, dazu Vermischtes aus Wien und internationale Analysen.

Und auf Worte folgten Taten: Im Jahre 1958, als Fritz Molden gerade, wie so oft in diesen Jahren, als Verleger mit antikommunistischer Propaganda beschäftigt war, informierte ihn der prominente Journalist Indro Montanelli, dass durch die immer schlimmer werdende Unterwanderung der Provinz Bozen die Gefahr eines radikalen Widerstandes der Südtiroler stetig wachsen würde. Es gab Pläne der italienischen Regierung, die Einwanderung italienischer Bevölkerungsgruppen nach Südtirol so zu forcieren, dass spätestens 1975 bis 1980 eine klare Mehrheit von über 55% das Land bevölkern würde. Es war ihm klar: Die Gefahr eines blutigen Freiheitskrieges im Herzen Europas war nicht von der Hand zu weisen. Auf Reden folgten Taten. Gemeinsam mit Bruno Kreisky, den Fritz Molden Jahre zuvor in das Außenministerium empfohlen hatte, bereiste er Südtirol und traf sich mit dem Abgeordneten Dr. Friedl Volgger und dem Anhänger der Südtiroler Freiheitsbewegung Sepp Kerschbaumer. Später traf er sich noch mit weiteren Mitgliedern des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) beim Achenwirt in Alpbach und ab Ende 1958 gehörte er auch dem BAS-Vorstand in Innsbruck an. Im Sommer 1959 überzeugte Fritz Molden Frau Prof. Elisabeth Noele-Neumann, die Leiterin des „Demoskopischen Institut Allensbach“, in Südtirol eine Meinungsumfrage durchzuführen. Es stellte sich heraus, dass 82% der deutschsprachigen und der Großteil der ladinischen Bevölkerung Südtirols wieder zurück nach Österreich wollten. Und immerhin 26% der männlichen Bevölkerung waren bereit, falls notwendig, mit der Waffe in der Hand für eine Befreiung Südtirols zu kämpfen. Dieses Resultat hat schließlich erheblich zu einem Umdenken Italiens in der Südtirolfrage geführt. Im selben Herbst setzte sich dann Fritz Molden als Mitglied der österreichischen Delegation für die Südtiroler Sache bei der Generalversammlung der UNO in New York ein. Die Sache war erfolglos, da sich die Amerikaner in dieser Angelegenheit auf Italiens Seite stellten. Im Dezember 1960 kam es trotz der UN-Resolution 1497/XV zu einer Konferenz der führenden BAS-Köpfe. Man entschied sich für den bewaffneten Widerstand. Nur eine Minderheit um Fritz Molden blieb besonnen und wollte abwarten. Es kam wie es kommen sollte, Bomben fielen, Masten flogen…

Für Fritz Molden endete diese erste, schließlich aber doch positive Phase des Südtirol-Problems mit einer heiteren Erinnerung, wie er uns Jahre später bei einem Treffen im Schreiberhäusl erzählte. Mitten in der Zeit, als die Südtirolfrage ernsthaft verhandelt wurde, kam Fritz Molden beim Forum in Alpbach mit Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer im Schreiberhäusl zusammen. Als man auf die Südtirolfrage zu sprechen kam, animierte der Tiroler Landeshauptmann gerade Bruno Kreisky, mehr für Südtirol zu tun. Kreisky meinte dazu: „Weißt du, lieber Walli, da sitzt du mit deinen Ratschlägen am falschen Dampfer, neben dir sehe ich Prof. Pfaundler, der wird dir bestätigen, dass ich den Südtirolern und ihm schon vor Jahren am Ballhausplatz bei mir in Wien gesagt habe, dass es mir, wenn’s um die Sache geht, auf ein paar gesprengte Masten mehr oder weniger an Etsch und Eisack nicht ankommen soll“. Genau hinter Kreisky standen dabei auf der Terrasse der österreichische und der italienische Justizminister, beide vertieft in ein Gespräch und hatten nichts wahrgenommen.

Im November 1961 kam die Südtirolfrage erneut vor die UNO, die die Resolution von 1960 bestätigte.

Sebastian Mayrgündter, Günther Rautz
für den Club Alpbach Südtirol Alto Adige

DSC050021