Von Pferden, Kriegen und der Notwendigkeit „neuer Aufklärung“


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von Laszlo F. Garzuly

Vor nun fast schon zwei Monaten ging das heurige Europäische Forum Alpbach offiziell zu Ende. Genügend Zeit ist bis jetzt verstrichen um einige Überlegungen anzustellen. Meine Erwartung an das Forum war es, interessante, ansprechende und aktuelle Themen etwas näher zu durchleuchten bzw. Experten und Studenten aus den Bereichen Politik, Recht und Wirtschaft kennenzulernen und mich mit diesen auszutauschen. Diese Erwartung wurde zur Gänze erfüllt.

Viel spannender erscheint mir jedoch genau das, was ich mir nicht vom Forum erwarte hatte und dann doch dort angetroffen habe und was mich mitgenommen, inspiriert und berührt hat, ganz abseits von dem was ich mir gedacht habe, dort in den Bergen zu finden. Neben Theateraufführungen, Literaturseminar und Konzerten hat mich vor allem die Performance des Alpbacher Schriftstellers Robert Prosser beeindruckt.

Sein Spiel der Worte nahm mich mit auf eine Reise, einen Tanz auf verwirrenden Bahnen, der von Alpbach in die Wiener U-Bahn und von dort ins Chaos und Grausamkeit der Balkankriege führt, in das heutige Bosnien und das des Krieges und in die Köpfe und Herzen der Menschen dort. Prosser trägt Auszüge aus seinem nächsten Roman „Die riesige Sonne, ein entfesseltes Pferd“ vor, dabei wird er von Audioaufnahmen, Musik und Video begleitet. Beindruckend ist wie er es schafft, mich mitzunehmen, Distanz zwischen Text und Zuhörer zu verringern, Nähe hineinzubringen. Brüllende Bahnbeamte, das Klacken der Mischkugeln in den Spraydosen, erhöht zu einem gewaltigen Geratter, Audiofetzen von Gesprächen mit Flüchtlingen, einhüllende Gebetsrezitationen und plötzlich finde ich mich irgendwo in Bosnien wieder, inmitten der Beisetzung von im Krieg ermordeten Menschen. Gleichzeitig wird von einem dreifärbigen Pferd erzählt, das vom Nachbarn vergiftet wurde und doch der Liebling des Besitzers war und von diesem dann auch eigenhändig begraben wurde. Als der örtliche Geistlich an das Grab des Pferdes herantritt und dort den Besitzer aufgelöst in Trauer findet, beginnt er im Glauben, dass es sich um den Sohn des Mannes handle, ein Gebet anzustimmen. Noch immer kann der Pferdebesitzer darüber lachen. Es werden grauenhafte Szenen von Tod, Verfolgung und Hass erzählt. Eine Stimme versucht jemanden zu beruhigen „Sie werden uns nichts tun, sie wollen nur wissen wo wir wohnen“, nachdem weise Laken an ihren Häusern angebracht wurden. Dann Nacht und plötzlich Feuer, Explosionen: Eine zweite Stimme brüllt “Run into the woods, run, lauf, lauf, lauf, lauf, lauf, lauf…“  Und dann bauen sich Bilder in meinem Kopf auf, läuft ein Film vor mir ab, ich kann förmlich fühlen, wie jemand dem Wald zu läuft, ich spüre das kalte Gras unter den Füßen, sehen die lodernden Häuser im Hintergrund, höre die Rufe im Rücken  “lauf, lauf, lauf, lauf…” Ich bin plötzlich mitten drinnen.

Absurd, Pferde werden beweint wie Menschen beweint werden, alles windet sich und ist in Auflösung begriffen, es gab Krieg und die Menschen können immer noch nicht verstehen, was eigentlich passiert ist. Menschen töten, Menschen sterben, Menschen fliehen aber irgendwie bleiben sie doch gleich nur nicht mehr ganz so wie früher. Es ist eine Reise in die Untiefen, die der Krieg in den Menschen hinterlassen hat, was noch da ist, was verwischt wurde, was ausgelöscht wurde. In all unserer wunderbaren Rationalität haben wir zwar Systeme geschaffen, die Grausamkeit, Krieg und dessen Wahnsinn verhindern sollen aber müssen allzu oft erkennen, dass diese wirkungslos sind ob unserer Irrationalität. Und ich beginne mich zu fragen wie weit uns eigentlich die letzte Aufklärung gebracht hat und erkenne, dass wir wohl gerade erst am Anfang stehen und dass es noch einige „neue Aufklärungen“ geben werden muss.

Es waren diese Auseinandersetzungen zu verschiedenen Themen anhand von Kunst und Literatur, die ich mir nicht erwartet hatte und die letzten Endes für mich einen der Höhepunkte des Forums bildeten.