Von Anna Pohl
„Was willst du denn in Südtirol arbeiten, da gibt’s doch gar nix, oder?“, fragen mich meine Wiener und Münchner Studienkollegen. Zugegebenermaßen, im ersten Moment fallen mir dazu auch nur die paar “üblichen Verdächtigen” ein. Aber immer öfter werde ich im Gespräch mit Südtiroler Bekannten, die dem Ruf der Berge und von Mamas Knödel schon früher wieder zurück nach Südtirol gefolgt sind, auf spannende Unternehmen aufmerksam. Von den meisten hat kaum ein Südtiroler je gehört und trotzdem sind sie Weltmarktführer in ihrem Bereich. In der Welt der Wirtschaft nennt man sie Hidden Champions: der Allgemeinheit kaum bekannt, aber in ihrem Nischenmarkt international Branchenbeste.
Hidden Champions sind kleine und mittelgroße Unternehmen, höchst innovativ, oft in ländlichen Gebieten angesiedelt und trotzdem beträgt ihr Exportanteil meist rund 90%. In den großen Diskussionen der Wirtschaftsgespräche am European Forum Alpbach finden Hidden Champions genauso selten eine Plattform wie in den Gedanken vieler Studenten und Absolventen, mich bisher mit eingeschlossen. Es wird über Google und Facebook diskutiert, über VW und Nestle, andere sprechen lieber über Start Ups. Selten finden Mittelstandsunternehmen, welche oft schon seit Generationen erfolgreich existieren, in öffentlichen Diskussionen Beachtung.
Aber eine Breakout Session im Rahmen der Wirtschaftsgespräche am European Forum Alpbach 2016 gibt diesen Unternehmen eine Bühne. Experten und Unternehmensvertreter widmen sich gemeinsam mit dem bunt gemischten Publikum der Frage: „Regional Hidden Champions – Fit für die Zukunft?“
Dr. Thomas Haller von der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, Experte für Hidden Champions, zeichnet ein starkes Profil dieses Unternehmenstyps. Hidden Champions zeichnen sich aus durch ihre Innovationskraft und ihre Spezialisierung auf Nischenmärkte. Diese Fokussierung erfordert eine frühe Internationalisierung der Unternehmen und eine enge Zusammenarbeit mit den Kunden, um hochspezifische Produkte zu liefern. Nicht zuletzt unterscheiden sich Hidden Champions laut dem Experten jedoch durch ihre hoch ambitiösen Zielen von großen, trägen Konzernen. Er führt die starke Wettbewerbsorientierung der erfolgreichen Mittelständler auf die Inhaber und Gründer zurück, die in vielen Fällen selbst oder bereits in nächster Generation das Unternehmen leiten und dadurch als zentrale Innovatoren und Antreiber eine ganz besondere Unternehmenskultur prägen.
Die großen Herausforderungen der Zukunft wie technologischer Wandel und Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel und demographischer Wandel um nur einige Schlagwörter zu nennen, treffen große und kleine Unternehmen gleichermaßen. Dabei sind regionale Hidden Champions jedoch auffallend gut aufgestellt um diesen Entwicklungen entgegen zu treten, meist sogar besser als mancher Konzernriese. Durch ihre Innovationskraft gestalten sie den technologischen Wandel aktiv mit, anstatt ihm hinterher zu jagen. Die Kundennähe bringt Hidden Champions an den Puls der Nachfrage. Sie werden über den Bedarf an neuen Lösungen aus erster Hand informiert, entwickeln diese häufig gar in Zusammenarbeit mit ihren Kunden. Die geringe Unternehmensgröße ermöglicht ein agiles Handeln und damit ein schnelles Reagieren auf Veränderungen im Markt. Gepaart mit der von Unternehmergeist geprägten Unternehmenskultur macht dies Hidden Champions im Gegensatz zu anderen Unternehmen auch besonders krisenfest.
Universitätsabsolventen als Mitarbeiter zu gewinnen fällt jedoch vielen Unternehmen im ländlichen Raum und damit auch den Hidden Champions nach wie vor schwer. Viele Berufseinsteiger bevorzugen Metropolen als Lebensraum für den ersten Schritt nach dem Universitätsstudium. Die beiden Unternehmensvertreter der Breakout Session, Mag. Johannes Riegl, Mitglied der Geschäftsführung von Riegl Laser Measurement Systems und Dr. Christoph Klinger-Lohr, Geschäftsführer von Klinger Dichtungstechnik haben für ihre Unternehmen unterschiedliche Wege gefunden mit diesem Problem umzugehen. Riegl, mit Hauptsitz im Waldviertel, hat ein kleines Außenbüro in Wien eröffnet welches vor allem für junge Mitarbeiter ein gutes Argument ist, in das Unternehmen einzusteigen. Klinger-Lohr hingegen bietet seinen Mitarbeitern größtmögliche Freiheit: “Wichtig ist, dass sie ihre Aufgaben bestmöglich erledigen. Wann und wo sie das machen, ist für mich nebensächlich, so lange wir uns in regelmäßigen Abständen treffen.”
Beide Unternehmer sehen ihren peripheren Standort aber auch positiv. Viele Mitarbeiter schätzen es, in einem ländlichen Gebiet leben zu können und dort trotzdem einer anspruchsvollen und interessanten Tätigkeit nachgehen zu können. Neben der hohen Lebensqualität für die Mitarbeiter steigert ein ländlicher Standort auch die Mitarbeiterbindung und Loyalität. Obwohl Absolventen frisch von der Universität oft schwer zu überzeugen sind, kehren viele von ihnen nach einigen Jahren im Ausland gerne in die ländliche Heimat zurück um dort ihre Familie zu gründen. Dies ist auch die Erfahrung, welche ich innerhalb meines Bekanntenkreises in Südtirol mache.
Die Frage, ob Hidden Champions fit für die Zukunft sind, kann ich nach den Präsentationen und Diskussionen dieser Breakout Session mit einem überzeugten “Ja” beantworten. Nun gilt es für mich nur noch, die Hidden Champions in Südtirol auszumachen. Ob sie mich gleich nach Studiumsende von sich überzeugen werden können, wird sich zeigen.