Von Jessica Herz
Neben der Flüchtlingsthematik, die beim diesjährigen Europäischen Forum Alpbach in aller Munde war und die Diskussionen dominierte, besteht im Zusammenhang mit internationalen Krisen und Konflikten ein weiteres Problem, das medial oft wenig Aufmerksamkeit erhält: jenes des möglichen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen. Zu dieser Waffengattung zählen nukleare, biologische und chemische Waffen. Letztere haben 2014 in Syrien für Aufsehen gesorgt, als ans Licht kam, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden und Syrien zum Beitritt zur Chemiewaffenkonvention und zur Zerstörung des bestehenden Chemiewaffenarsenals quasi gezwungen wurde.
Die häufig vergessenen Nuklearwaffen – Relikte aus dem 20. Jahrhundert und von großer Bedeutung während des Kalten Krieges – stellen eine große, reale Gefahr dar und sind ein Grund zur Sorge, vor allem in Zeiten, in denen sich internationale Spannungen und Konflikte vermehren und einige Staaten in eine gefährliche nukleare Rhetorik wie während des Kalten Krieges zurückfallen.
Stagnierende Verhandlungen hindern Fortschritt in der nuklearen Abrüstung
70 Jahre nach den verheerenden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki lagern in den weltweiten Arsenalen noch immer 16.000 Nuklearwaffen. Eine ernüchternde Bilanz und besorgniserregende Zahl wenn man bedenkt, dass bereits der 1968 vereinbarte Atomwaffensperrvertrag (NPT) die vollständige Abrüstung von Nuklearwaffen als Verpflichtung aller Staaten der internationalen Staatengemeinschaft vorsah. Seit Inkrafttreten des Vertrags hat sich jedoch nicht viel verändert. Über Jahrzehnte stagnieren jegliche Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung. Auch die im Frühjahr 2015 im Rahmen der Vereinten Nationen stattgefundene Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags scheiterte aufgrund mangelnden Konsenses unter den Mitgliedstaaten.
Das Risiko einer beabsichtigten oder unabsichtlichen Nuklearwaffenexplosion ist real
Sicherheitspolitische Aspekte haben lange Zeit die Debatte rund um Nuklearwaffen dominiert. Die Folgen einer Nuklearwaffendetonation für Mensch und Gesundheit, Natur, das globale Klima und die weltweite Nahrungsmittelversorgung sowie die Risiken einer Nuklearwaffenexplosion, sei sie beabsichtig oder durch Unfall, Irrtum, technische Fehler oder terroristische Handlungen verursacht, blieben in Vergangenheit weitgehend unberücksichtigt. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse weisen jedoch darauf hin, dass neben der unmittelbaren humanitären Katastrophe bei einer Nuklearwaffenexplosion auch die langfristigen Konsequenzen schwerwiegender sind als bislang bekannt war und dass die Risiken, dass es tatsächlich zu einer Atomwaffenexplosion kommt, real sind.
Über diese und ähnliche Themen diskutierten die ForumsteilnehmerInnen am ersten Tag des diesjährigen Europäischen Forums Alpbach. Dafür lud der Club Alpbach Südtirol-Alto Adige (CASA) am 20. August Botschafter Alexander Kmentt (Leiter der Abteilung für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Non-Proliferation im österreichischen Außenministerium) und Assistenz-Professor Dr. Martin Senn der Universität Innsbruck als Redner ein. Was ursprünglich als Wiesenpicknick geplant war musste aufgrund des Wetters kurzfristig in ein Indoor-Picknick in der Hauptschule umgewandelt werden. Dies tat der Sache keinen Abbruch ab, zumal sich traditionell in der Seminarwoche alles Wissen in der Hauptschule konzentriert. Die TeilnehmerInnen zeigten auch bei dieser Thematik reges Interesse und beteiligten sich aktiv an der Diskussion.
Weg von einer Abrüstungslogik hin zu einem humanitären Ansatz in der nuklearen Abrüstung – Österreich als Vorreiter
Martin Senn führte in die Thematik ein, indem er aus wissenschaftlicher Perspektive erläuterte, aus welchen Gründen Staaten Nuklearwaffen anstreben bzw. behalten und welchen Einfluss der Besitz von Nuklearwaffen in den Beziehungen zwischen Staaten hat. Es folgte ein Vortrag von Alexander Kmentt, der über die aktuellen Bemühungen Österreichs im multilateralen nuklearen Abrüstungsregime berichtete. Österreich ist einer der führenden Staaten in der sogenannten humanitären Initiative, bei der der Schwerpunkt auf die humanitären Auswirkungen und Risiken von Nuklearwaffen gelegt wird. Aufgrund des mangelnden Fortschritts und der international angespannten Lage startete Österreich nach der im Dezember 2014 ausgerichteten Wiener Konferenz zu den Humanitären Auswirkungen von Kernwaffen einen Aufruf („Humanitarian Pledge“), der ein völkerrechtliches Verbot und die Eliminierung von Nuklearwaffen fordert. Bislang haben sich offiziell 117 Staaten diesem Appell angeschlossen.
Klare Worte der UN Hohen Beauftragten für Abrüstungsfragen
Um die Diskussion über Abrüstung im Rahmen des Forums weiterzuführen, organisierte der CASA am 22. August noch eine zweite Veranstaltung in Form eines traditionellen Alpbacher Kamingesprächs mit der scheidenden Hohen Vertreterin der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen Angela Kane. Auch bei diesem Event stießen die VeranstalterInnen vom CASA auf massives Interesse vonseiten der ForumsteilnehmerInnen. Angela Kane nahm in ihrem Vortrag Bezug auf aktuelle Entwicklungen bei Massenvernichtungswaffen und konventionellen Waffen. Dabei betonte sie, dass Nuklearwaffen ihre Arbeit bei den Vereinten Nationen dominierten. Im Gegensatz zu den beiden anderen Arten von Massenvernichtungswaffen gebe es für Nuklearwaffen noch kein Verbotsvertrag, was auch vor dem Hintergrund aktueller Krisenherde und Spannungen angestrebt werden müsse. Das Verbot von Atomwaffen sei laut Kane seit Anfang an und seit deren ersten Einsatz 1945 oberste Priorität der Vereinten Nationen. Dazu habe es sämtliche Resolutionen der UN-Generalversammlung gegeben. Als lobenswert hob die Hohe Vertreterin die Initiative von Österreich und weiteren gleichgesinnten Staaten hervor, die die humanitären Konsequenzen und Risiken von Nuklearwaffen wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.
Nicht weniger relevant seien laut Kane auch die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft im Bereich der konventionellen Waffen. Einer der jüngsten Erfolge sei das Inkrafttreten des Waffenhandelsvertrags im Dezember 2014 gewesen.