Von Anna Wolf
„WOHIN fährst du?“ „Nach Alpbach, zum Europäischen Forum Alpbach. Schon mal gehört davon?“ „Nein, keine Ahnung.“ Fragende Blicke. Die Wenigsten meiner Freunde und Verwandten wussten, wovon ich sprach, als ich ihnen von meiner Teilnahme am EFA 2016 erzählte. Und auch nach einer kurzen Erklärung meinerseits wünschte man mir (zugegeben etwas verunsichert): „Ja, dann schönen Urlaub!“ – eines war klar: Sie alle hatten nicht den leisesten Schimmer von diesem Europäischen Forum Alpbach. Doch hatte ich selbst eine realistische Vorstellung von dem, was mich in Alpbach erwarten würde? Rückblickend muss ich gestehen: Nein. Denn verstehen, was jeden Sommer für etwas mehr als zwei Wochen in jenem entlegenen, aber idyllischen Bergörtchen in Tirol mit dem Namen Alpbach vor sich geht, kann wahrscheinlich nur der, der selbst einmal in den Genuss von Alpbach gekommen ist. Trotzdem hier nun der Versuch, Ihnen einige kleine Eindrücke und magische Momente des EFA 2016 nahezubringen:
Alpbach ist, wenn morgens beim gemeinsamen Frühstück mit noch von der vorigen Nacht verschlafenen Augen schon politische Statements ausgetauscht werden. Wenig später macht man sich förmlich geblendet von der Farbenpracht der unzähligen Geranienbalkone auf den Weg ins Seminar, wo man eine kanadische Autorin über ihre Romane jenseits von kartographisch erfassten Gegenden erzählen hört. Alpbach ist, wenn man zur Kaffeepause ganz spontan auf Französisch ein paar Worte über Giordano Bruno wechselt, um in der nächsten Runde auf Italienisch, Englisch oder Deutsch weiterzumachen. Wenn für 17 junge Menschen, die im Theaterseminar der RADA (Royal Academy of Dramatic Arts) einen halben Nachmittag nur mit Blickkontakten kommunizieren, gefühlt die Zeit in weicher Stille verharrt.
Alpbach ist, wenn man abends mit kritischem Ohr einem Kamingespräch zum Umgang mit Sexualität im Islam lauscht, später beim Pub Quiz heiß diskutiert über das Geburtsland von Beethoven und die Nacht im berüchtigten Hallenbad ausklingen lässt, umgeben von lauter faszinierenden jungen Leuten. Alpbach ist, wenn einem das allabendliche Lichtspiel von Sonne und Schatten an den vor Grün nur so strotzenden Berghängen und Almwiesen die Sprache verschlägt. Und Alpbach ist, wenn man am Tiroltag nicht nur Jean Claude Juncker, sondern auch das European Youth Orchestra auf der Bühne des nagelneuen Kongresszentrums erleben kann.
Alpbach ist auch, wenn man am International Evening staunend der nie enden wollenden Aufzählung von teilnehmenden Nationalstaaten beiwohnt und gleichzeitig die allgegenwärtige Frage nach Europa das Konzept von Nationalstaaten grundsätzlich hinterfragt. Eindeutig Alpbach ist aber auch, wenn man zum Morgengrauen gemeinsam auf der Gratlspitz darauf wartet, dass sich die Sonne hinter der blauen Skyline von Bergen in den wolkenlosen Himmel hervorwagt. Alpbach ist ganz einfach, wenn man sich tagelang in einem unbeschreiblichen Flowzustand befindet, ohne es wirklich zu merken. Und sich plötzlich bei einem gemütlichen Abendessen in der heimeligen Küche des heimlichen CASA-Hauptquartieres der Endlichkeit dieser 17 Tage bewusst wird.
Das alles ist Alpbach. Und noch so viel mehr. Klingt das nach Urlaub? Nach einer verlängerten Studentenparty? Gewiss, die Zeiten und die Generation an jungen Köpfen haben sich geändert seit der Gründung des Forums im fernen Jahr 1945 (die wir angeblich zu einem großen Teil der Überzeugungskraft einer ganzen Menge von Zigaretten als Bestechungsmittel für die Alpbacher Bauern verdanken). Doch er liegt zweifellos jedes Jahr wieder in der Luft, jener viel umschworene „Spirit of Alpbach“. Es ist hier in Alpbach, wo Freundschaften keimen, die keine Grenzen kennen, wo eine Gedankenwerkstatt zur gesellschaftlichen Triebfeder werden kann, wo Idealismus und Realität ineinandergreifen, wo alle Disziplinen und Kulturen sich verschränken und kritische Ansichten auf beinahe kitschig-schöne Aussichten treffen. DANKE Alpbach!
Under the pale moon-
light we dance
spirits dance we dance
joining hands we dance
joining souls rejoice.