„Die Zukunft Europas, das Klima und das Kapital suchen in Alpbach nach Inspiration und Ideen“, lautet die Überschrift der Pressemitteilung zum Start der Seminarwoche beim Europäischen Forum Alpbach. Seit 76 Jahren treffen sich in dem Tiroler Alpendorf Menschen aus ganz Europa und später aus der ganzen Welt. Wissenschaftler:innen, Politiker:innen, Wirtschaftstreibende, Musiker:innen und Künstler:innen, Bundespräsident:Innen und Student:innen. Um über die Probleme der Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft zu diskutieren, um sich gegenseitig auszutauschen und kennenzulernen, sich zu inspirieren und ja auch um gemeinsam zu feiern. Im Jahr 2021 scheint es so, als wäre diese Suche nach Inspiration und Ideen zur Zukunft Europas und der Welt so aktuell, oder besser gesagt, so dringend wie seit Beginn dieses Forums nicht mehr. Rückblickend frage ich mich, was lief die letzten 76 Jahre schief? Tausende Menschen kamen hier jährlich zusammen, um die Welt zu einer besseren zu machen, wichtige Entscheidungsträger:innen der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Nun, nach fast zwei Jahren globaler Pandemie, einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft, und vor allem einer rasanten Verschärfung der Klimakrise, fragen sich insbesondere die jüngeren Generationen, was hätte man anders machen können oder müssen?
Vor allem, weil wir von genau diesen Problemen und Gefahren seit langem wissen, seit langem darüber diskutieren und seit langem Inspiration und Ideen suchen um ihnen entgegenzuwirken. Ist etwa alles umsonst? Nein, ist es nicht! Obwohl die meisten meiner abendlichen Diskussionen mit anderen Teilnehmer:innen mit düsteren Zukunftsaussichten endeten, war der Austausch mit so vielen unterschiedlichen Menschen persönlich sehr bereichernd für mich. Die Hoffnung, dass diese Diskussionen und die Suche nach Ideen auch wirklich unsere Zukunft beeinflusst, ist leider alles, was wir derzeit haben. Das Europäische Forum Alpbach liefert vielleicht wenige Antworten, jedoch wirft es ungemütliche Fragen auf. Jede:r kann bei jedem Thema mitreden, jede:r kann jede Meinung hinterfragen. Vor allem nach Studienerfahrungen in Ländern wie China und der Türkei, erkenne ich den Wert des heutigen Europas und den langen Weg den unsere Gesellschaft hinter sich hat. Während des gesamten Forums hatte ich das Gefühl ermutigt zu werden alles und jede:n kritisch zu betrachten, auch das Forum selbst.
Als ich zufällig auf eine Dame stoß, die mich einlud bei einem Gespräch mit dem Österreichischen Bundespräsidenten Van der Bellen teilzunehmen, fragte sie mich ob ich schon wüsste was ich ihn fragen möchte. Bevor ich antworten konnte, meinte sie: „Seid kritisch, macht es ihm nicht zu einfach!“. Als Van der Bellen später meine Frage, was nur mit den Grünen in Österreich los sei, galant umging, fragte eine junge Frau die vor mir saß: „Wenn ich so in die Runde schaue, habe ich das Gefühl, dass dies ein klassisches Bild der heutigen Politik ist. Ein Haufen junger Leute sitzt um einen alten weißen Mann und stellt ihm Fragen. Haben Sie eigentlich auch Fragen an uns?“
Noch nie hatte ich das Gefühl wie in Alpbach, Teil einer Generation aber auch einer generationenübergreifenden Bewegung zu sein, welche nicht locker lassen wird, welche sich um Ihre Zukunft sorgt und auch dafür kämpfen wird. Welche engagiert, radikal und trotzdem friedlich und gemeinsam für die Möglichkeit einer Zukunft einsteht. Nicht nur einmal im Jahr in Alpbach, sondern verteilt in ganz Europa und der Welt.
Philipp Rier