EFA_diario #3: Und es wird immer mehr …


Vorarlberger, Tiroler und Südtiroler Stipendiaten gemeinsam auf der Terrasse des Zottahofes (Foto: Anna von Hepperger)

Am Sonntag ging es los. Der fünfte Tag des Forums war der erste, der den Ankündigungen, Erwartungen, Hoffnungen, aber auch Befürchtungen entsprochen hat – der erste, an dem wir uns entscheiden mussten. Will ich in meinen Seminaren über Astrobiologie und Künstliche Intelligenz am Ball bleiben? Heute lernen wir, unter welchen Umständen „extremophile“ Organismen leben können: Manche überleben sogar im Weltall oder auf der Marsoberfläche. Gute Chancen für extraterrestrisches Leben!  Will ich der Alpbacher Musikkapelle lauschen und der Rede des Nordtiroler Landeshauptmannes, die mit einer feierlichen Zeremonie den Tiroltag zelebrieren? Ist mir die Podiumsdiskussion der Landeshauptleute der Euregio wichtig, die, glaube ich, über Mobilität und Energiepolitik gesprochen haben (anderes war mir wichtiger)? Und was ist mit den gut anderthalb Stunden, die uns Senator Francesco Palermo widmet, um Fragen zu seinem Beruf, seinem Werdegang und seinen Gedanken zu stellen? Und bin ich am Abend noch fit genug, mit den Alpbach-Clubs aus Vorarlberg und Tirol auf die Zottaalm zum Kaiserschmarrenessen zu gehen?

„Die Qual der Wahl“ ist als Phrase so abgedroschen, dass man sie im Alltag oft lieber vermeidet. Aber irgendwo muss sie herkommen. Und wenn es sie nicht schon gäbe, könnte sie in Alpbach entstehen. Denn was uns in den kommenden Wochen erwartet, ist genau das: Die Qual der Wahl. Und zwar immer, an jedem Tag, zu jeder Zeit – und zwischen Events, von denen man keines verpassen will. Wie heute am Tiroltag.

Astrobiologie ist spannender als die Eröffnungszeremonie. Musikkapelle und Ansprachen kennt man von zuhause. Und wichtige Persönlichkeiten trifft man hier an jedem Ort zu jeder Zeit persönlich. Also runter in die Volkschule, um der Astrophysikerin Lisa Kaltenegger zu lauschen, die sonst an der amerikanischen Eliteuniversität Cornell University lehrt. Und ein kleiner Eindruck bleibt vom Tiroltag sogar. Der Dorfplatz vor der Kirche ist prallgefüllt mit Menschen. Alle sind in Tracht, überall Lederhosen und Dirndln. Die Schützen stehen aufgereiht und die Musikkapelle spielt Beethovens Ode an die Freude. Ich kämpfe mich durch und bin froh nach einigen unvermeidbaren Remplern die Menge wieder hinter mir zu haben. Im Seminarraum finde ich aber auch heute nur schwer einen Platz – unter den über 700 Stipendiaten beim Forum sind eben doch nur eine Handvoll Tiroler. Über 70 Nationen sind dieses Jahr vertreten. Aber Dirndln und Lederhosen sind heute auch im Seminarraum allgegenwärtig, auch die anderen Bundesländer feiern ein bisschen Tiroltag.

Das zweite Seminar habe ich angefangen, bin aber bald wieder gegangen. In der WhatsApp-Gruppe der unseres Clubs hieß es, dass ein paar Stipendiaten und Vorstandsmitglieder mit Francesco Palermo Richtung Berghof spazieren würden. Da wollte ich dabei sein – und es hat sich gelohnt. Der Bozner Senator hat von seinen Erfahrungen berichtet, mit welchen Erwartungen er in den italienischen Senat eingezogen war und inwiefern und was er hat lernen müssen. Aber dann sind wir abgeschweift. Zum Glück! Wir kamen auf demokratietheoretische Debatten, haben diskutiert, welche Rolle das Englische in Südtirol spielen kann und soll und lebhaft erörtert, weshalb es so viele junge Südtiroler Akademiker ins Ausland zieht. Roland aus dem CASA-Vorstand war dabei. Palermo hat sich nachher bei ihm für die vielen Inputs bedankt und uns wissen lassen, dass er das Gespräch mit uns sehr anregend fand. Ein schönes Kompliment, das motiviert und die Vorfreude auf die nächsten Tage immer größer werden lässt.

Das Beste aber zum Schluss. Kurz davor, mich bettfertig zu machen, habe ich mich doch noch aufgerappelt und bin mit den Vorarlbergern und Tirolern auf die Zottaalm gegangen. Ein vierzig Minuten langer „Hatscher“ nach einem langen Tag und einer kurzen Nacht. Nicht wahnsinnig verlockend. Oben aber herrliche Aussicht, viel zu große Kaiserschmarren-Portionen, Löffelmilch, die einfach nur grauslig schmeckt, gute Gespräche, lautes Lachen und viele neue Bekanntschaften.

 

Aloysius Widmann