EFA_diario #3: Die Südtiroler WG in Alpbach: Das Europäische Forum Alpbach – bunt, vielfältig und hochkarätig


Das Europäische Forum Alpbach fand heuer zum ersten Mal in hybrider Form mit begrenzter Teilnehmer*innenzahl vor Ort statt. Wir, acht Stipendiat*innen des CASA (Club Alpbach Südtirol – Alto Adige), haben Ende August daran teilgenommen. Studierende und junge Berufstätige treffen im idyllischen Bergdorf Alpbach jährlich mit Vertreter*innen und Entscheidungsträger*innen aus Politik und Wirtschaft sowie Expert*innen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten zusammen. Wir Südtiroler Stipendiat*innen wohnten im obersten Stock des „Haus Barbara“ am Rande des Bergdorfes in den Nordtiroler Alpen. Wir waren ein bunt gemischter Haufen: Architektur, Energietechnik, Molekularbiologie, Philosophie, Politik, Psychologie, Raumplanung, Wirtschaft sind unsere Studienfächer; Graz, Innsbruck, Leoben, London, Mailand, Salzburg, St. Gallen, Wien unsere Studienstädte. Wie wir es von unserem Uni-Leben kennen, begaben wir uns vormittags zu Vorträgen,Seminaren und Gesprächsrunden ins Kongresszentrum. Abends traf man sich im Dorfgasthaus „Jakober“, wo bis spät in die Nacht hinein weiterdiskutiert und getanzt wurde. Und wie es sich für eine Student*innen-Wohngemeinschaft gehört, hatten wir auch viel Spaß bei dem einen oder anderen gemeinsamen Kochabend oder Watter im „Haus Barbara“.

Credits: Anna Wenter EFA21

Das dreiwöchige Forum war überaus bunt, vielfältig und hochkarätig – damit kann unser Uni-Alltag nicht mithalten. Neben dem Vortrag des Nobelpreisträgers Joseph G. Stiglitz und den sehr persönlichen Kamingesprächen mit verschiedenen Politikern und Politikerinnen sowie anderen Entscheidungsträgern und Expertinnen, werden wir uns noch lange an die gemeinsame Sonnenaufgangswanderung zur „Gratlspitze“ sowie den obligatorischen Kaiserschmarrn auf der „Zotta-Alm“ zurückerinnern.Für mich als Psychologin, die ich mich in meinem PhD-Studium im Rahmen der „Tiroler COVID-19 Kinderstudie“ mit der Lebensqualität und psychischen Gesundheit von Nord- und Südtiroler Kindern während der Coronapandemie beschäftige, waren die beiden Vorträge zur „Mental Health“ von besonderem Interesse. Am Samstagabend berichtete der Harvard-Professor Robert J. Waldinger von der „Harvard University Study of Adult Development“ (TED-Talk: „What makes a good life? Lessons from the longest study on happiness”). Hierbei handelt es sich um die bisher längste (seit 1938) Studie zur physischen und psychischen Gesundheit sowie Lebensgestaltung. Die Studie kam zum Schluss, dass unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und die Zufriedenheit in unseren Beziehungen eine besonders gewichtige Rolle für unsere Gesundheit spielen. So ist Einsamkeit für unsere Gesundheit genauso schädlich wie Zigarettenrauchen oder Alkoholkonsum. Nach dem Vortragfand am Abend im Hotel „Böglerhof“ die „Reception“ der „SeneCura-Gruppe“, des führenden privaten Betreibers von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen in Österreich, statt, wo wir bei Häppchen und Musik hautnah auf den österreichischen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein trafen. Am Sonntagmorgen lautete der Titel der Veranstaltung im Kongresszentrum dann „Let’s Talk Mental Health“. In seiner Rede berichtete der Gesundheitsminister davon, dass einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien zufolge die Coronakrise quer durch die Bevölkerung zu mehr psychischemStress und Einsamkeit geführt hat. Besonders hervorgehoben hat Gesundheitsminister Mückstein, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit psychischen Problemen kämpfen, in der Coronakrise angestiegen ist. Auch in der „COVID-19 Kinderstudie“ unter der Leitung von Primarin Univ.-Prof. Kathrin Sevecke und Psychologin Dr. Silvia Exenberger, die an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Innsbruck durchgeführt wird und bei der ich selbst mitarbeite, zeigt sich dieses Bild. So zeigten sich im ersten Lockdown eine Einschränkung der Lebensqualität und das Bedrohungserleben der Kinder. Mittlerweile wurden drei Erhebungen durchgeführt: Von Messzeitpunkt zu Messzeitpunkt nahm die psychische Belastung der Kinder zu. So wiesen beispielsweise im Winter 2021 bereits 15 Prozent der Kinder klinisch relevante Symptome auf. Sie zeigten mehr Angst- und Traumasymptome sowie eine schlechtere Lebensqualität als in der ersten Befragung.Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir als Psychologin für die nächsten Alpbach-Jahre vertiefteren Input bezüglich bzw. mehr Fokus auf das Thema „Mental Health“ wünschen. Denn diesesThema geht uns alle an – egal ob aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft. Und mit zwei von über hundert Vorträgen im Rahmen der Symposien war die psychische Gesundheit im heurigen Jahr 2021 in Alpbach – wie auch in unserer Gesellschaft – doch eher ein Randthema. Neben den Themen „Mental Health“ und Gesundheit hat mir das Forum Alpbach jedoch viele Anregungen zu den unterschiedlichsten Themen aus Politik, Wirtschaft und Technologie gegeben. Zudem haben wir viele inspirierende Personen getroffen. Besonders beeindruckt haben mich zum Beispiel der Auftritt der sudanesisch-amerikanischen Poetry-Slammerin und Aktivistin Emi Mahmoud, die österreichische Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer mit ihrem Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ und das Zusammentreffen mit der österreichischen Justizministerin Alma Zadić, die uns vortraumhafter Alpbach-Kulisse in kleiner Runde von ihrer Kindheit als bosnische Immigrantin in Wien und von ihrer kürzlichen Mutterschaft als Ministerin erzählt hat. Drei junge, starke Frauen mit besonderen Geschichten, viel Mut und Engagement. Ich wünsche möglichst vielen jungen Menschen solche Alpbach-Momente, wie ich sie heuer erleben durfte!

Anna Wenter