EFA_diario #11: Der letzte Tag in Alpbach- was ist Alpbach eigentlich?


Der Wecker klingelt mal wieder viel zu früh. Obwohl die Stimmung abends in Alpbach phänomenal ist, holt einem der morgendliche Kopfweh schnell wieder zurück auf den harten Boden der Realität. Rückwirkend betrachtet war die Idee, am letzten Abend nochmal alles zu geben, wohl doch keine gute. Die Nachwehen vom „Jakober“, der besten und, wenn man es genau nimmt, auch einzigen Bar in Alpbach, lassen mich bereits erahnen, wie es in meiner Geldtasche aussieht: gähnend leer. Drum passt es gerade gut, dass heute das Finanzsymposium stattfindet. Pünktlich um 08:30 mache ich mich auf dem Weg zu einer „Breakfast Session“, so nennt man es in Alpbach, wenn man sich bei einem gratis Frühstück gleichzeitig noch eine interessante Diskussion anhören darf. Bei der von mir ausgewählten Session geht es um „Europäische Kapitalmärkte für KMU’s“ – zugegeben vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber genau das macht Alpbach aus: der interdisziplinäre Dialog! Je mehr ich mir diese illustre und teilweise verschlafene Runde ansehe, desto sicherer bin ich mir, dass das Thema für die meisten der Anwesenden bestimmt kein Dauerbrenner ist, der ihnen im Vorfeld wochenlang den Schlaf raubte. Dennoch kommt ein sehr interessanter Diskurs zustande, nicht zuletzt aufgrund des ausgezeichneten Podiums aus Wirtschaftsvertretern, Nationalbankern und Börsenvertretern. Auch das macht Alpbach aus: hochkarätige Podien aller Richtungen zu jedem Thema. In den letzten beiden Wochen durfte ich Seminare und Vorträge von unglaublich hochkarätigen Dozenten besuchen: darunter niemand geringeres als der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon, der Ökonom Jeffrey Sachs oder die Aerosol- und Umweltphysikerin Bernadett Weinzerl.

Finanzmarktthemen im Breakfast Club (Foto: European Forum Alpbach – Luiza Puiu)

Neben den Vortragenden sind vor allem auch die anderen Stipendiaten und Stipendiatinnen aus der ganzen Welt eine enorme Bereicherung für das gesamte Forum. Viele Menschen aus dem asiatischen Raum haben z. B. eine komplett andere Sicht auf die Welt, als diese von uns in Europa oft gesehen wird – welche die richtige und welche die falsche ist, maße ich mir gar nicht an zu beurteilen. Auf jeden Fall sind die Meinungen in manchen Punkten, wie z. B. der Demokratiefrage oder den unterschiedlichen Problemen in den verschiedenen Ländern, wohl divers und zugleich resilient. Auch das macht Alpbach aus: Man lernt unterschiedliche Menschen mit komplett konträren Sichtweisen auf dasselbe Thema kennen und kann trotzdem mit allen darüber diskutieren und reden. Auch wir Südtiroler sind in manchen Fragen sehr divers. Untereinander hatten wir sehr viele Diskussionen zu allen Themen. Dabei wurden alle Meinungen gehört, und auch wenn sie oft unterschiedlich waren, gab es keine „falsche Meinung“. Vor allem die Diskussionen in den eigenen Reihen haben mich besonders herausgefordert und mir viele bis dahin unbekannte Sichtweisen aufgezeigt. Ich würde es jedem jungen Menschen empfehlen, einmal zum Forum nach Alpbach zu fahren, entweder einfach, um etwas Neues zu lernen oder um seine eigenen Grenzen kennenzulernen und eventuell, wie in meinem Fall, diese sogar zu sprengen und seine oftmals eingeschränkte Sichtweise aufzubrechen, um wieder Platz für neue, spannende Themen zu schaffen.

Ein ganz besonderes Erlebnis für mich war das Konzert des „International Alpbach Kinga-Choir and friends“– ein spontan zusammengewürfelter Haufen von professionellen Musikern bis hin zu Menschen, die noch nie gesungen haben, jedoch gerne einfach mal bei einem Chor mitsingen wollten. Der Chor, unter Mitwirkung meines Südtiroler Freundes und Komponisten Toni Widmann, hat es geschafft, binnen weniger Tage vor dem Ende des Forums aus einer Gruppe sich bis dahin unbekannter Menschen einen Chor zu gründen und ein wahnsinniges Konzert in der Pfarrkirche St. Oswald in Alpbach zu organisieren. Das Konzert, welches aus klassischen, traditionellen und modernen Stücken im Chor, an der Gitarre sowie an der Orgel bestand, war für mich persönlich das musikalische Highlight des Forums. Auch das ist Alpbach: spontane, selbstorganisierte Gruppen, welche durch ihre Diversität sowie ihre Zusammenarbeit in kürzester Zeit ein unglaublich gutes Ergebnis produzieren können. So wie ich mich an den Applaus der gesteckt vollen Kirche rückbesinne, gefiel es wohl den allermeisten Anwesenden so wie mir.

Abschließend möchte ich mich vor allem beim Europäischen Forum Alpbach, dem Club Alpbach Südtirol Alto Adige und dessen Vorstand sowie den anderen Stipendiaten und Stipendiatinnen aus Südtirol und darüber hinaus für die tolle und spannende Zeit bedanken!

Thomas Pichler

Konzert des „International Alpbach Kinga-Choir and Friends“ – ein musikalisches Highlight des diesjährigen Forums (Foto: Andreas Lackner)