Von Ruth Fulterer
Wenn man erzählt, dass man am Europäischen Forum Alpbach teilgenommen hat, wird man oft gefragt, was genau das eigentlich ist.
Das jemandem, der nicht dort war, zu erklären, ist eine schwierige Aufgabe.
Ich habe versucht, mich zurückzuerinnern, was ich erwartet hatte, als mir vor einem Jahr ein Stipendium verliehen worden war. Damals war das Thema „Erwartungen – Die Zukunft der Jugend“ und ich hatte einen Haufen Broschüren bekommen, mit der Beschreibung der Seminare und Diskussionen sowie des Kulturprogramms. Das alles hat mich in Alpbach erwartet – aber das Europäische Forum Alpbach ist mehr als das.
Das Besondere an Alpbach ist die Abgeschiedenheit. Und dass sich man sich richtig Zeit nimmt. Man muss sich das ja einmal vor Augen halten, wie viele Menschen – zwischen Referenten und „Zuhörern“ waren es letztes Jahr mehr als 3.000 Teilnehmer. Sich da Zeit zu nehmen, in dieses Tiroler Dörfchen am Ende des Alpbachtals zu fahren, um abseits der Welt, in der sie sich sonst bewegen – ob sie nun Unternehmer sind oder Forscher – über wichtige Fragen unserer Gesellschaft nachzudenken: Ich glaube, gerade die schwere Erreichbarkeit macht das Europäische Forum Alpbach zu etwas Besonderem. Man kann nicht einfach „mal vorbeischauen“. Wer dort ist, hat sich Zeit genommen.
Kennen Sie dieses Gefühl, wenn man einen Vortrag besucht, und man hört so viel Neues und Interessantes, aber dann wird man mit seinen Gedanken irgendwie allein zurückgelassen? Mir kommt es oft so vor, als würden die vielen Ideen schon am Nachhauseweg ins Alltagsleben ein bisschen in sich zusammenfallen.
In Alpbach geht es aber eben nicht direkt zurück ins Alltagsleben, sondern man tauscht sich nachher noch über das Gehörte aus, in diesem kleinen Dorf mit den wenigen Straßen und nennen wir es begrenzten Ausgehmöglichkeiten trifft man Referenten und Teilnehmer der Seminare notgedrungen wieder, und viele der prominenten Gäste lassen sich gern zu einem Kamingespräch oder Wiesenpicknick einladen, wo man in kleinerer Runde weiterdiskutieren und debattieren kann. Durch die Vielfalt der Teilnehmer entsteht eine offene Atmosphäre, die den eigenen Horizont extrem erweitert. In dieser Atmosphäre kommen neue Ideen auf, und es entwickelt sich eine Plattform, die über die Wochen in Alpbach hinausgeht.
Als ich letztes Jahr zurückkam, musste ich nicht nur die vielen Knödel und Kaiserschmarren verdauen… Das Europäische Forum Alpbach ist eine Zeit voller Inputs, man hört Beiträge zu Themenbereichen von Baukultur über Wirtschaft und Soziologie bis zu Medizin, und immer von Referenten der Weltklasse. Zeitweise hab ich mich letztes Jahr schon gefragt, wie viel da eigentlich hängen bleibt, weil man wirklich den ganzen Tag unterwegs ist. Über die Vorträge hinaus gilt es nämlich auch die Umgebung zu genießen, also Wandern und Schwimmen, Clubbing oder Abendessen auf Berghütten.
Aber es passiert einem dann unterm Jahr immer wieder, dass man etwas hört oder liest, was man schon von Alpbach kennt, und dass einem Sachen einfallen, die man dort gehört und gelernt hat, vor allem, wenn es um Hintergründe und Zusammenhänge von Ereignissen unserer Zeit geht.
Ein für mich persönlich besonders einprägsamer Moment war, als die Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn im Rahmen der vom CASA mitorganisierten Career Lounge im kleinen Kreis von ihrem Leben erzählt hat. Ein junger Student fragte, nach welchem Kriterium sie die Forschungsprojekte und Universitäten, an denen sie gearbeitet hat, ausgesucht habe, und wie sie sich über die Jahre ihre Motivation erhalten hat. Ihre Antwort war, dass sie immer versucht hat, dahin zu gehen, wo sie sich nicht als die Klügste in der Runde gefühlt hat. Diese Antwort hat mich überrascht und beeindruckt. Sie beinhaltet den Wunsch, neugierig zu bleiben, bescheiden und offen für andere Zugänge und Meinungen. Das passt ganz gut zum vielzitierten „spirit of Alpbach“.
An solche Begegnungen erinnert man sich, sie inspirieren und machen Mut.
Und wenn ich jetzt daran zurückdenke, wie ich vor einem Jahr bei der Stipendienverleihung gestanden bin, ohne jemanden zu kennen und ohne wirklich zu wissen, was mich erwarten würde, dann bleibt mir eigentlich nur noch, danke zu sagen, danke allen jenen, die es ermöglicht haben und ermöglichen, dass Leute wie ich diese Erfahrung machen dürfen und danke den Mitgliedern des CASA, bei denen wir neue Stipendiaten uns von Anfang an aufgehoben gefühlt haben. Auch wegen dieser guten Gemeinschaft freue ich mich sehr, heuer wieder in Alpbach dabei sein zu dürfen.