Alpbach ist Interdisziplinarität. Wo, wenn nicht am Forum, wo junge Menschen mit verschiedenen kulturellen, akademischen und beruflichen Hintergründen aufeinandertreffen, ist der ideale Ort um sich über neue Themen auszutauschen und Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten?
Die Seminarwoche vom 15. bis zum 21. August hat dieses Potential hervorragend genutzt und mehrere Seminare angeboten, die auf den ersten Blick oft stark unterschiedliche Bereiche zusammenführen. Wir als StipendiatInnen konnten uns für zwei davon entscheiden, die wir dann täglich jeweils vormittags und nachmittags besuchen konnten. Meine gewählten Seminare „Physics meets economics – climate science and policy“ und “Ethics in Action: Economics and Sustainable Development” erlaubten es, ökonomische Sachverhalte mit Ethik einerseits und Physik andererseits zu verknüpfen und somit eine neue Perspektive auf wirtschaftspolitische Fragestellungen unserer Zeit zu erlangen.
Im Vormittagsseminar beschäftigten wir uns unter der Leitung von Gernot Wagner, Ökonom und Direktor des Solar Geoengineering Programms in Harvard, und Bernadett Weinzierl, Physikprofessorin an der Universität Wien, mit dem Klimawandel. Von naturwissenschaftlicher Perspektive wurde eindeutige Evidenz für den menschlichen Einfluss auf das globale Klima präsentiert, gleichzeitig aber auch die große Unsicherheit aufgezeigt, mit der die derzeitige Klimaforschung zu kämpfen hat. So schwanken zum Beispiel die aktuellen Prognosen darüber, welche Auswirkungen eine Verdopplung der CO2-Levels in unserer Atmosphäre wahrscheinlich auf die durchschnittliche Temperatur hätte, zwischen einer Erwärmung von 1,5 und 4,5 Grad Celsius. Im Gegensatz dazu war Dr. Wagner von einem relativ konkreten Lösungsvorschlag überzeugt: Der Schaden, den CO2-Ausstoß anrichtet, muss nicht wie bisher von der gesamten Menschheit getragen werden, sondern der Preis dafür soll von den Emittenten bezahlt werden. Dies schafft finanzielle Anreize, Karbonverschmutzung zu reduzieren. Ökonomischen Berechnungen zufolge müsste dieser Preis ca. 35€ pro Tonne CO2 betragen – Geld, das dann zum Beispiel vom Passagier eines Fluges nach Amerika von jedem Passagier beim Ticketkauf entrichtet werden müsste. So klar und konkret dieser Vorschlag wäre, so schwierig ist seine Umsetzung: Eine Einführung einer CO2-Steuer auf nationaler Ebene würde zu einer Auslagerung karbonintensiver Wirtschaftstätigkeiten in andere Länder ohne solche Steuer führen. Der Einfluss dieses Landes auf das globale Klima wäre damit nicht verringert, sondern verschoben worden. Ein globalerer Ansatz müsste also gewählt werden, der im heutigen politischen Umfeld unerreichbar scheint.
Das Nachmittagsseminar gab eine ethische Perspektive auf unser Wirtschafts- und Finanzsystem. Anthony Annett, Ökonom am IWF und Experte für Ethik, gab eine Einführung in die katholische Soziallehre und kontrastierte sie mit den Werten des heutigen Wirtschaftssystems. Aniket Shah, selbst tätig in der Finanzbranche, hat im zweiten Teil des Seminars seine Perspektive eingebracht und jüngste Entwicklungen an den globalen Finanzmärkten aufgezeigt. Anregende Debatten darüber, was falsch läuft im Finanzsystem, aber auch über die Notwendigkeit und Vorteile dessen, haben das Seminar schließlich abgeschlossen.
Andreas Prenner