EFA_diario #4: Mein Alpbach


Es ist Sonntag, der 23. August, 16.55 Uhr. Noch fünf Minuten bis zum Beginn des Europäischen Forum Alpbach. Ich sitze schon ganz aufgeregt vor meinem Laptop und mir geht durch den Kopf, was ich in den nächsten Tagen wohl so alles erfahren würde. So viele hatten mir schon erzählt, was für eine einmalige Erfahrung eine Teilnahme am Europäischen Forum Alpbach ist. Dieses Jahr Stipendiatin zu sein und an der 75. Ausgabe, also sogar einer „Jubiläumsausgabe“ des Europäischen Forum Alpbach teilnehmen zu dürfen, ist eine riesengroße Ehre für mich. Es ist wohl anders als in vorherigen Jahren, weil alles online stattfindet, dachte ich mir, nichtsdestotrotz war ich voll mit Vorfreude. Und dann ging es auch schon los. Eingeleitet wurde das Forum durch zwei Reden vom Präsident des Forums Franz Fischler und dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellenund einer anschließenden, sehr interessanten Diskussion über Demokratie, während in der Chat-Funktion Teilnehmer aus aller Welt ihre Freude über den Beginn des Forums ausdrückten. Und ich spürte diesen einmaligenAlpbach-Spirit“, von dem mir schon einige erzählt hatten, war voller positiver Energie und Inspiration. Es ist zu dem Zeitpunkt schwierig für mich vorzustellen, wie das Forum wohl vor Ort gewesen wäre, da ich auch vom digitalen Format bereits begeistert bin.

Am Abend des ersten Forum-Tages sagte Kristina vom Club Alpbach Südtirol Alto Adige Board zu uns Stipendiaten: „Holt euch so viel Wissen wie nur möglich!“ – und das tat ich in den nächsten Tagen auch: im Laufe des Forums habe ich anvielen von den verschiedensten Panel Discussions, FiresideChats und Working Groups teilgenommen: ich saß zum Teil den ganzen Tag vor meinem Laptop, um all das Wissen, das ich irgendwie kriegen und aufnehmen konnte, in mich aufzusaugen. Ich habe unter anderem an den Panels „Fundamentals of Autonomy“, dem „EU-Hackaton“ und „Women in Crises“ teilgenommen. Der Club Alpbach Südtirol Alto Adige hat wie jedes Jahr auch eine „Career Lounge“ veranstaltet, wo TeilnehmerInnen einen Experten bzw. eine Expertin Fragen zu ihrem Beruf und ihrem Werdegang stellen können, wo ich das Vergnügen hatte, auch der Host eines der Experten zu sein und die Session zu moderieren. Das war eine sehr bereichernde Erfahrung für mich, nicht nur, da mich zum ersten Mal online als Moderatorin üben konnte, sondern auch da ich viel Interessantes vom Experten und seinem Beruf erfahren durfte. Ich habe mich nicht nur in Spontanität und Flexibilität geübt, sondern auch wertvolle Inputs in Bezug auf einen Beruf bekommen und andere TeilnehmerInnen haben auch etwas davon mitnehmen können.

Credits: European Forum Alpbach


Generell war ich in den ersten Tagen noch ein wenig übereifrig, wollte bei allen Sessions dabei sein und wusste nicht genau, welchen ich von den vielen simultan stattfindenden Vorträgen auswählen soll. Mit der ersten Woche hatte ich aber gelernt, wie ich die vielen Eindrücke und Informationen verarbeiten soll.
Da das diesjährige Thema „Fundamentals“ war, waren die drei meistbesprochenen bzw. meistvorkommenden Themen, die sich durch das gesamte Forum durchzogen, in meinen Augen die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf verschiedenste gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Bereiche; die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf dieselben Bereiche; und – ein ebenso wichtiges, aber vielleicht für manche weniger evidentes Thema – Frauenrechte und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. 

Hierbei hat mich ein Panel besonders inspiriert: „How to Save the World – Youth Activism in the Spotlight”, wo der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon und die Umweltaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda als „Speakers“ auf dem virtuellen Diskussions-Panel saßen.

Credits: European Forum Alpbach

Als Ban Ki-Moon alle herzlich begrüßte und in die Kamera lächelte, überkam mich ein Gefühl, das wohl Fans verspüren, wenn sie ihren Lieblingssänger treffen – es war ein Moment der freudigen Aufregung und der aufgeregten Freude. Es ging in diesem Panel um den Klimawandel, und warum gerade Jugendaktivismus diesbezüglich so wichtig ist. Ban Ki-Moon erläuterte nämlich, dass die Hälfte der Weltbevölkerung unter 27 Jahre alt ist. Der Klimawandel sei mit die größte Herausforderung für die junge Generation. Eine Aussage, die mir in Erinnerung geblieben ist, war die, dass er gesagt hat, die Corona-Pandemie sei zwar momentan eine enorme Herausforderung, die Menschen haben Fieber – jedoch dürfen wir uns nicht auf den Klimawandel vergessen, denn eigentlich hat unsere Erde angesichts der Erderwärmung ein Fieber. Der ehemalige Generalsekretär der UNO erläuterte auch, dass die Hälfte der Weltbevölkerung weiblich ist, weshalb es essentiell ist, junge Leute, aber vor allem junge Frauen in die politische Entscheidungsfindung miteinzuschließen. Auf die Frage, warum gerade so viele junge Mädchen sich für die Umwelt einsetzen und sich in den öffentlichen Diskurs einbringen erwiderte Vanessa Nakate, die in Uganda seit Dezember 2018 Klimastreiks mit ihrer Bewegung „Rise Up“ organisiert, dass es eine logische Konsequenz für junge Frauen sei, sich nach jahrzehntelanger Unterdrückung der Frauen Gehör zu verschaffen, jetzt, da vielfach die Möglichkeit dazu gegeben ist. Ein weiterer Punkt, der unterstrichen wurde, war, dass nicht nur Länder im globalen Süden die Konsequenzen des Klimawandels stärker zu spüren kriegen, sondern es wurde auch angeschnitten, dass Frauen anders und stärker davon betroffen sein werden als Männer. Inwiefern genau, wurde nicht genannt. Trotzdem war das ein interessanter Punkt, der mit zu denken gegeben hat. Allgemein wurde gesagt, dass die Thematik der Geschlechter- und Chancengleichheit Hand in Hand mit der Thematik der Klimakrise geht. Gender Equalitykönne nicht ohne die Bewältigung der Klimakrise erreicht werden – und umgekehrt. Dies hat mir viele neue Einsichten und Impulse zum Nachdenken gegeben, die mich sicher noch lange nach dem Forum beschäftigen werden.

Neben den vielen spannenden Vorträgen waren es für mich aber auch die „Begegnungen“ mit all den intelligenten, interessanten und engagierten Menschen – wenn auch nur digital – die diese Tage für mich so bereichernd gemacht haben. Schon am ersten Tag kam ich mit ein paar Menschen über die Chatfunktion auf der Forumsplattform „Hopin“ in Kontakt, um mich über das Thema Umweltschutz auszutauschen. Vor allem aber die Video-Telefonate mit meinen Mitstipendiaten und -stipendiatinnen und den Boardmitgliedern, deren Vorträge über Panels, Reflexionen und Anregungen und die daran anschließenden Diskussionen waren für mich ein Highlight. 

Credits: Club Alpbach Südtirol Alto Adige

Es ist für mich nämlich immer wieder erstaunlich, wie viel man voneinander lernen kann und wie viel man doch wieder gemeinsam hat, auch wenn man aus (akademisch) unterschiedlichen Sparten kommt. Von Physik über Psychologie bis hin zu Geisteswissenschaften war in der Gruppe alles vertreten – der beste Ausgangspunkt für Diskussionen, die den eigenen Horizont erweitern. Sogar noch neben den gemeinsamen Video-Sessions habe ich mit dem einen oder der anderen weiterdiskutiert, wurde von den verschiedenen Gedanken immer wieder neu inspiriert und stimuliert. 

Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen; und auch wenn das Forum dieses Jahr wohl anders war als in den letzten Jahren – eine einmalige Erfahrung war die Teilnahme am Europäischen Forum Alpbach für mich dennoch allemal.

von Ariane Benedikter