EFA_diario #12: Vom Rückzug in die kleine Welt und dem Versuch, dadurch die große Welt zu retten


Wiederkehrerin Kathrin Werth (Mitte) beim Moderieren des CASA-Wiesenpicknicks „In Vino Veritas?“ mit Harald Cronst (Kellerei Kurtatsch) und Eva Ploner (daviso pr agency) – (Foto: Felix Obermair)

Die Sonne scheint, die Erde dampft noch von den Regenschauern am Vortag: Ankunft in Alpbach. Tatsächlich fühlt es sich mehr nach einem Anschleichen an statt nach einem triumphalen Einzug. Denn wirklich Notiz nimmt davon niemand. Ist auch nicht nötig. Sofort werde ich nämlich aufgesogen in dieses komplexe System des Symposiums, das kontinuierlich neue Elemente absorbiert, um wieder andere aus seinem Bann zu entlassen.

Also erst mal durchatmen, Höhenluft schnuppern hier oben auf ziemlich genau 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Und ja, es liegt etwas in der Luft. Dann in ungeeignetem Schuhwerk hinauf über die Wiese, des Winters flacher Ausläufer einer schnöden Skipiste, nun aber laut Programmheft zur viel mondäner klingenden „Meadow above Hotel Böglerhof“ gekürt. Ziel dieser Wanderung à la ‚Piefkesaga‘, es müssen ca. 250 Meter und 5 Höhenmeter überwunden werden, ist die imposante Linde mitten auf der Wiese, pardon Meadow. Die Linde, schon im Mittelalter Treffpunkt im Dorf, um zusammenzukommen und sich zu besprechen. Und hier: die Linde als Baum der Denker, vielleicht sogar der Erkenntnis, manchmal aber auch einfach öffentliche Relaxzone, in jedem Fall ein wunderschönes Plätzchen mit einem ganz besonderen Zauber.

Die Wiesen sind jetzt im August grün und saftig, ganz ohne Photoshop: #nofilter. Die Häuser, Zeugnis eines Missverständnisses von Heimatverbundenheit und Traditionsbewusstsein, fügen sich stumm in die Landschaft – der Fußabdruck des Menschen eben. Die Berge sind nicht zu hoch, um Angst einzuflößen und trotzdem hoch genug, um diese lebendige Postkarte von der Außenwelt abzuschirmen. Viele nennen diesen Zustand eine Seifenblase, schillernd, aber vergänglich. Ich finde, Alpbach funktioniert wie ein Katalysator, der alle Nebensächlichkeiten und Ablenkungen des Alltags filtert, wodurch es überhaupt erst möglich wird, über die Erfahrungen in der Welt, bei der Arbeit, im Studium, Forschung, Politik oder sonst wo, zu reflektieren und als klaren, reinen Gedanken zu destillieren. Ausgangspunkt für fruchtbare Diskussionen.

Der CASA unter dem Baum der Denker – Ausgangspunkt für fruchtbare Diskussionen (Foto: Felix Obermair)

Genauso war es dann auch beim Wiesenpicknick, das ich für CASA (Club Alpbach Südtirol Alto Adige) auf der Wiese und unter der Linde moderiert habe. Wochenlange Vorbereitungen waren vorausgegangen, verbunden mit vielen Fragezeichen und durchaus auch einigen Magenschmerzen vor lauter Aufregung. Plötzlich war der Tag da gewesen. Eine Gruppe Stipendiaten setzt sich auf die Wiese unter dem Baum und ich sehe mir selbst zu, wie ich den Experten Fragen stelle, merke, dass die Experten mit Freude ihre Erfahrungen teilen und dass das Publikum mitdenkt, sich interessiert, Fragen stellt. Entgegen allen (meinen) Befürchtungen entwickeln sich ein interessantes Gespräch und ein fächerübergreifender Austausch. Auch dank vieler helfender Hände läuft alles glatt. Und am Ende des Tages bin ich froh, dass ich diese Erfahrung gemacht habe. Hach, schön, wieder in Alpbach gewesen zu sein.

 

Kathrin Werth