Vorweg: Die Reise in eine Hauptstadt – zumal für den einheimischen Besucher – kann niemals als leichtes Unterfangen gelten, beansprucht sie doch höchste Konzentration und größte Ausdauer. Viel Historisches wie auch Zeitgenössisches gibt es zu sehn, viele Prachtstraßen zu begehn, viele Eindrücke zu bestehn – und für Rom mag dies ganz besonders gelten.
Zum 10-Jährigen wurde von CASA in die Ewige geladen und ein entsprechend „alpbachisches“ Programm geboten – sprich: etwas Protokoll und viele Perspektiven. Die protokollarischen Anstandsbesuche galten, wenig überraschend, den wunderbaren Palazzi Madama und Montecitorio, die beide zweifelsfrei ein Gefühl von Erhabenheit und eine Aura des Bedeutungsvollen ausstrahlen. Weniger erhaben, doch umso lebendiger erwies sich ihr Innenleben, die Beobachtung parlamentarischer Gepflogenheiten und politischen Gerangels bereitete phasenweise großen Genuss, bedingte aber auch manch dezenten Kopfschmerz. Präsidentin Petras bewundernswertem Engagement verdankend, hatten wir abseits der reinen Tribünenteilhabe zudem die Möglichkeit zum persönlichen Austausch. In einem kurzen Treffen mit Senator Karl Zeller und längeren Gesprächen mit Senator Hans Berger, Onorevole Luisa Gnecchi und Onorevole Daniel Alfreider verortete sich unser südtirol-römischer Themenbogen zwischen „buona scuola“ und Flüchtlingsproblematik, um freilich immer wieder auch auf Fragen des politischen Taktierens zu rekurrieren. Der interessante Reigen römischer Zusammenkünfte war damit mitnichten beendet: Im Künstlerviertel Pineto sprachen wir in einer wunderschönen Sommernacht mit Gustav Hofer und Onorevole Florian Kronbichler über Minderheiten- und Bildungspolitik sowie die Schwierigkeit gute Dokumentarfilme zu drehen. Über das Italienbild in den deutschen Medien, die Bedeutung politischer Berichterstattung sowie über Fragen des islamischen Terrors tauschten wir uns mit RAI- Südtirol-Korrespondentin Ulrike van den Driesch und dem Leiter des römischen ZDF-Studios Alexander von Sobeck aus. Aktuelle Themen und interessante Aspekte, Katrin Niedermair sei für diese Möglichkeit herzlich gedankt!
Im Spannungsfeld von Politik, Medien und Künsten mögen Verwaltung und Bürokratie zunächst etwas fad erscheinen. Katharina Tasser, nebst Team, gelang es eindrucksvoll den Gegenbeweis anzutreten. Tassers ironisch-luziden Ausführungen zum römischen Ministerial- und Verkehrsdickicht, verwiesen auf die schwierige und gewichtige Rolle des Südtiroler Außenamtes in Rom sowie die Kunst, in dieser Hauptstadt zu überleben. Tatsächlich, die Charakteristiken des römischen Straßenverkehrs werfen gar einige Fragen auf, die zu beantworten man jedoch nicht vermag. Es herrscht ein herrliches Chaos, das aber, wohl aufgrund klandestinen Wissens, zu funktionieren scheint, allein der Außenstehende versteht niemals wie ̶ römischer Straßenverkehr und italienische Bürokratie weisen diesbezüglich einige interessante Parallelen auf. An dieser Stelle gehört aber großer Dank ausgesprochen! Dem Prinzip folgend, dass man sich eine Stadt, um sie annährend zu verstehen, ergehen muss, haben wir Kilometer um Kilometer gekämpft. Dabei habt ihr uns, liebe Römer, trotz Hauptstadtbewusstseins und selfiestickbewaffneter Touristenflut, immer den richtigen Weg gewiesen! Ohne euch würd‘ ich auch jetzt noch irgendwo zwischen Via Oslavia und Piazza Cavour verwirrt nach dem römischen Ausgang suchen. Doch gerade diese langen Spaziergänge gehörten zu den Highlights unseres Aufenthaltes, ob touristische hotspots oder vergessene Gassen, wunderschön ist dieses Rom und der Blick von der Villa Borghese die Promenadenplackerei allemal wert. Jedem ehemaligen Alpbach-Stipendiaten ist freilich klar, dass der Abend respektive die Nacht keineswegs zur Ruhe gedacht, sondern das intensive Programm hierin seinen Höhepunkt erfährt – so auch in Rom. Aber was will man machen: trasteverische Aperitivi und Abendessen sind zu verführerisch, an ein „an-der-Piazza-Vorbeilaufen“ danach nicht mehr denkbar: zu viele Bars, zu viele Cocktails – phänomenal!
Mag die capitale also eine laute, eine anstrengende Stadt sein – dennoch: ihr urbaner Charme bleibt stets verlockend, stets betörend: wir haben ihn in vollen Zügen genossen.
Andrej Werth