Wir schreiben den 21. August 2014. Es ist der Beginn der Technologiegespräche: Der Tag beginnt früh (für Alpbacher Verhältnisse) mit einem herzhaften Frühstück gesponsert vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Bei dieser Gelegenheit gönne ich mir mal wieder ein Frühstücksei. Während des “Mobility Breakfast“-Frühstücks waren zwei von drei Tischen mit Jugendlichen vollgestopft, die alle ein blaues T-Shirt trugen mit der Aufschrift „This is what an Innovator looks like“. Diese Blauhemden würden uns durch die ganzen Technologiegespräche begleiten als Werbemittel für das Bundesministerium, die neuen Talente in Österreich. Plötzlich, während alle Nicht-Blauhemden beim Essen waren und einige sich noch einen ordentlichen Nachschlag holten, sprangen die Blauhemden plötzlich wie auf Kommando auf und verließen den Speisesaal. Die Nicht-Blauhemden wie ich wurden von der plötzlichen Aufbruchsstimmung überrascht, aber es war klar, dass wir den Anderen in einen Nebenraum zu folgen hatten, wo dann ein Tischgespräch mit vier Experten aus dem Mobilitätssektor stattfand. Nach dem tollen Frühstück waren auch die Gespräche nicht so schlecht und man sprach über autonom fahrende Autos, über Startups und was von Mitarbeitern, die gleichzeitig wie Mitunternehmer agieren sollten, erwartet würde.
Nach der gelungenen Einstimmung auf die Technologiegespräche ging es im gleichen Rhythmus weiter – zuerst essen und dann den Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft zuhören und mit ihnen diskutieren. Dazwischen war ein bisschen Networking angesagt.
Als nächste Station stand der Technologiebrunch im Alphof auf dem Programm. Dort noch eine Weißwurst und ein paar „Zwetschgentatscheln“ und dann ran an die Experten, die aus Südtirol angereist waren, und ein bisschen über die Uni Bozen, den Technologiepark und diverse Unternehmen diskutieren – vielleicht kann man ja ein paar Ideen an den Mann bringen, die Südtirols High-Tech Branche verbessern könnten.
Dann geht’s los, alle zum Kongresszentrum. Der Präsident Fischler eröffnet die Technologiegespräche und der Saal ist gedroschen voll. Wer den Aufbruch vom Brunch zum Kongresszentrum zu spät realisiert hat, muss Herr Dr. Fischler jetzt stehend lauschen.
Den restlichen Nachmittag geht es bei den Vorträgen der Experten um Startups, Big Data, die neue industrielle Revolution 4.0 und ein bisschen auch um soziale Gerechtigkeit und das Schließen der Schere zwischen Arm und Reich, mit dem Ziel eine genügend hohe Lebensqualität zu bieten, damit man hoch-qualifizierte Arbeitskräfte anlocken kann. Bei der Industrie 4.0 gibt es nur zwei Themen: Die volle Automatisierung der Industrie mit Robotern und “Machine learning“. Das weckt in mir Gedanken an den Film iRobot. Werden uns bald die Maschinen beherrschen? Einer der neuen technologischen Hypes, der angesprochen wurde, ist das 3D-Printing. Druck dir deine Legosteine zu Hause oder im Copyshop aus!
Dieses Jahr war auch eine erwähnenswerte Anzahl von Experten aus den USA anwesend, allen voran Professoren aus Stanford und New York. Diese erklärten, dass eine der Hauptaufgaben ihrer Universität darin liegen würde, junge Studienabgänger zu motivieren, Startup-Firmen zu gründen und sie zu informieren und zu begleiten bis diese Firmen im Silicon Valley zu Weltkonzernen heranwachsen – oder scheitern. Das Thema des Plenums war: Innovation und die Kultur des Scheiterns. In der amerikanischen Gesellschaft wird das Scheitern eines Startups nicht so negativ gesehen und dramatisiert wie in Europa. Wir in Europa sind anscheinend noch nicht so weit. Warum? Eine Frage einer jungen Studentin während des Plenums, die es vielleicht auf den Punkt brachte, war die Frge danach, warum uns hier die älteren Generationen nicht zutrauen würden, erfolgreiche Firmen zu gründen. „Why the older people in Europe don’t trust the young?” Die Antwort der Stanford-Professoren war schnell und einfach: „Trust the young!“ Vielleicht als Antwort des Forums auf diesen Umstand könnte man die vielen Jugendlichen mit den blauen T-Shirts verstehen.
Am Ende des Nachmittags ging es dann um das menschliche Gehirn, das so komplex ist, dass man für das 3D-Model eines Gehirns ca. 8 Peta Byte (1 000 000 000 000 000 Byte) Speicherplatz braucht und damit sind wir beim Schwerpunkt Big Data angelangt, das dann den zweiten Tag der Technologiegespräche dominierte.
Aber an diesem Tag hatte ich auch das Glück, den für mich definierten “Spirit of Alpbach“ über den Weg zu laufen. Beim Nachhauseweg vom Kongresszentrum hatten zwei junge Alpbacher Mädchen den Unternehmergeist bewiesen, der so sehr in den Technologiegesprächen für Europa gesucht wurde, und einen Souvenirstand auf dem Gehsteig errichtet, wie im Foto zu sehen ist. Und nicht nur, dass sie sich gewinnbringend unternehmerisch betätigten – sie hatten sich auch auf ihre internationale Kundschaft in dem kleinen Tiroler Bergdorf eingestellt, mit einem Zettel, auf dem zu lesen war: „WE SPEAK ENGLISH TOO“. Bei so viel Engagement unserer jüngsten Unternehmer in Alpbach musste ich dem Aufruf der Stanford-Professoren „Trust the young!“ folgen und ihnen ein paar schöne Steine abkaufen.
Der Tag war aber noch nicht zu Ende, denn es ging am Abend weiter zum Alpbacherhof, wo die Karriere-Lounge, die von unserem Club Alpbach Südtirol Alto Adige in Zusammenarbeit mit dem Austrian Institute of Technology und Siemens Austria organisiert wurde. Natürlich ging es auch dort im gewohnten Rhythmus des Tages weiter, erst ein bisschen essen und dann folgten Gespräche. Diesmal hatte man die Gelegenheit mit einigen der elf geladenen Experten in gemütlicher Atmosphäre über die Natur des Erfolges zu reden und sich tolle Inputs für seine Zukunft zu holen. Ich habe mich kurz über die zivile Raumfahrt mit der Astrophysikerin Pascale Ehrenfreund unterhalten, die einen Asteroiden vorzuweisen hat, der ihren Namen trägt. Dann lauschte ich noch ein bisschen den Geschichten von Carl Djerassi, dem Erfinder der Antibabypille. Am Ende machte ich noch einen Sprung zu Harald Oberrauch, einen Jungunternehmer aus Südtirol (Firma Durst), der anscheinend die Zeichen der Zeit erkannt hat und sich als Business Angel an Startups in Europa beteiligt.
Nach der Karriere-Lounge saßen Harald Oberrauch, Sebastian Mayrgündter, Johannes Brunner und ich noch gemütlich mit ein paar weiteren CASA-Stipendiaten und Vorarlbergern an der Hotelbar des Alpbacherhofes, wo ebenfalls ein Südtiroler aus meiner Heimatgemeinde Eppan Barkeeper ist.
Auf dem Nachhauseweg mussten wir noch nach alter CASA-Tradition beim Gasthof Jakober reinschauen auf einen, oder zwei Absacker. Kurz bevor die Gefahr bestand, dass die Nacht zu Ende gehen und der Sonnenaufgang kommen würde, kehrten wir ins heimelige und gemütliche Haus Barbara zurück, um noch ein paar Stündchen zu schlafen bevor es zum Teil 2 der Technologiegespräche ging.
Christian Patauner
Alpbach, den 24. August 2014